So war das Lichtfest Leipzig 2020 auf dem Nikolaikirchhof

"Leben in Freiheit bedeutet Leben in Verantwortung"

Statt mit Zehntausenden Besuchern auf dem Augustusplatz fand das Lichtfest 2020 in kleinerem Rahmen auf dem Nikolaikirchhof statt.
Statt mit Zehntausenden Besuchern auf dem Augustusplatz fand das Lichtfest 2020 in kleinerem Rahmen auf dem Nikolaikirchhof statt. Foto: LTM/Punctum Stefan Hoyer

Dieses Jahr war alles anders. Pandemiebedingt konnte das Lichtfest Leipzig nicht wie gewohnt mit Tausenden Besuchern auf dem Augustusplatz stattfinden. Am 9. Oktober 2020 gab es daher eine kleine Ausgabe des Lichtfestes auf dem Nikolaikirchhof. Die komplette Veranstaltung wurde live auf Leipzig Fernsehen und als Internetstream übertragen

Oberbürgermeister Burkhard Jung nahm Bezug auf diese besondere Situation und begrüßte die Gäste mit einer Frage: „Ist es nicht paradox, ausgerechnet ein Lichtfest und ein Friedensgebet zu feiern, das nicht offen sein kann für alle? - Das passt eigentlich nicht“. Aber ausfallen sollten die Feierlichkeiten auf keinen Fall, und Jung warb daher um Verständnis für die gewählte Form. Am 9. Oktober solle nicht nur erinnert werden, sondern auch die Hoffnung Ausdruck finden, dass der Gedanke von 89 weiter in den Menschen brennen kann. Erinnern und Aufbruch sollen gleichermaßen den Tag bestimmen.

Jung verwies auf den Aufbruch, der derzeit in Belarus stattfindet und rief den“ tapferen Frauen, insbesondere in Minsk,“ von Leipzig aus zu: „Wir sind bei euch und unterstützen euren Einsatz für die Freiheit. Haben Sie Mut und Hoffnung, dass Dinge sich verändern können. Nichts muss bleiben, wie es ist.“

Lichtfest mit Abstand – auch beim Platzieren der Kerzen auf dem traditionellen Kerzenpodest in Form einer 89
Lichtfest mit Abstand – auch beim Platzieren der Kerzen. Von links nach rechts: Basil Kerski, Roland Jahn, Sebastian Gemkow, Ayleena Jung, Burkhard Jung, Matthias Rößler, Volker Bremer. Foto LTM/Punctum Stefan Hoyer

Bürgerrechtler Uwe Schwabe richtete den Blick ebenfalls Richtung Osteuropa, wollte den Jahrestag auch dafür genutzt sehen, den Nachbarn in Polen, Tschechien, der Slowakei und Ungarn zu danken. Denn bevor die Wiedervereinigung Deutschlands möglich wurde, seien schließlich die Menschen in Mittel-Osteuropa mutig auf die Straße gegangen. „Wenn wir etwas von diesen Revolutionen lernen können, dann ist es die Selbstbefreiung aus einer Bevormundung und die Selbstermächtigung zum Handeln.“ Am Ende seiner Worte stand ein kraftvoller, aktueller Appell: „Lassen Sie sich nicht einschüchtern! Streiten Sie weiter für ein demokratisches, freies und unabhängiges Belarus. Und wir in Deutschland sollten uns daran ein Beispiel nehmen. Wir leben heute als Bürger in Freiheit – aber auch in der Verantwortung, allem entgegenzutreten, was unsere Demokratie gefährdet.“

Sebastian Gemkow, sächsischer Staatsminister, betonte, dass es ein bewusstes Bemühen erfordert, sich zu erinnern, wie es vor 1989 ausgesehen hat und teilte seine persönlichen Kindheitseindrücke mit den Gästen: „graue Fassaden, tote „Fensteraugen“, leergewohnte Häuser, vergiftete Flüsse, die täglich die Farbe wechselten. Und die Angst, Dinge nicht aussprechen zu dürfen.“ Kritisch hinterfragte er, ob diese heute oftmals beklagten und auch zu recht beklagten Folgen des Umbruchs wirklich Folgen der Friedlichen Revolution seien oder nicht vielmehr Folgen eines Staates mit Misswirtschaft und ohne Rechtsstaatlichkeit. Es gelte, den Wert der Friedlichen Revolution an kommende Generationen weiter zu geben.

Wandprojektionen auf dem Nikolaikirchhof
Emotionale Botschaften der Leipzigerinnen und Leipziger waren großflächig rund um den Nikolaikirchhof projiziert. Leipziger Posaunenchöre gestalteten den Abend musikalisch. LTM / Punctum Stefan Hoyer

Einer der bewegendsten Momente des Abends war zweifellos das „Grußwort von Leipzigerinnen und Leipzigern“. Im Vorfeld hatten diese zum Teil sehr persönliche Botschaften und Gedanken zum Herbst ‘89 übermittelt, die von Annegret Janssen und Tanja Werner (Jugendparlament Leipzig) vorgetragen wurden. Diese unter dem Leitgedanken „Von der Freiheit“ stehenden Zitate waren zudem als großflächige Wandprojektionen rund um den Nikolaikirchhof präsent.

Bereits im September war das Lichtfest in verschiedenen Stadtteilen mit Licht, Kunst und Gesprächen mit Bürgerrechtlern zu Gast. Kurzinterviews mit den Mitwirkenden und Videoclips zeigten einen Rückblick darauf. Nach rund einer Stunde ging dieses besondere Lichtfest mit dem Kanon Dona Nobis Pacem, gesungen vom Vokalquintett Ensemble Nobiles und begleitet von Leipziger Posaunenchören, zu Ende. Zurück blieben für eine kurze Zeit noch die rund 10.000 Kerzen in Form der ’89. Ein stiller Ausklang.

Lichtfest zu Hause

Zahlreiche Leipzigerinnen und Leipziger waren der Einladung gefolgt, auch in ihrem Zuhause ein Lichtzeichen zu setzen und posteten unter dem Hashtag #lichtfestzuhause Fotos von Kerzen auf Fensterbänken und Balkonen. Zudem hatten sowohl Einzelpersonen als auch Firmen und Institutionen im Vorfeld symbolische Kerzenpatenschaften übernommen und damit ein soziales Projekt unterstützt.

Impression vom Nikolaikirchhof
Impression vom Nikolaikirchhof. Foto: LTM / Andreas Schmidt

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