Lichtfest Leipzig: Mehr als 15.000 Besucher erinnern an den 9. Oktober 1989

Lichtfest-Besucher auf dem Leipziger Augustusplatz. Foto: Punctum/Alexander Schmidt
Lichtfest-Besucher auf dem Leipziger Augustusplatz. Foto: Punctum/Alexander Schmidt

Mehr als 15.000 Leipziger und Gäste erinnerten auf dem Augustusplatz heute Abend an die historischen Ereignisse im Herbst ´89. Unter dem Motto „Aufbruch – Verantwortung – Offenheit“ erlebten sie einen spannenden Abend, in dessen Zentrum die 1989 erkämpften Werte der Rede-, Meinungs- und Pressefreiheit standen. Die Gespräche auf der Bühne wurden durch Live-Musik, Videos und Komparsen zu einer eindrucksvollen emotionalen Gesamtperformance verbunden.

Mit Talk, Jazz und Video setzte der künstlerische Leiter Jürgen Meier in diesem Jahr neue Akzente. Statt von einem großen Ensemble wurde die Stimmung des Abends durch mehrere Einzelrollen getragen: Claudius Nießen, Geschäftsführer des Deutschen Literaturinstituts, empfing in der Rolle des Fragenden vier ganz unterschiedliche Gesprächspartner aus dem Medienbereich. Zwischen den einzelnen Gesprächen erklangen live die eigens für das Lichtfest entstandenen Kompositionen des Stephan König Jazz-Quartetts.

Innerhalb der Gespräche wurden dabei sowohl historische als auch aktuelle Bezüge hergestellt. Der ehemalige Kontraste-Moderator Jürgen Engert erinnerte sich an die Tage vor 28 Jahren, als er als ARD-Korrespondent über die Montagsdemonstrationen aus Leipzig berichtete und die ihn immer noch stark bewegt: „Ich habe nie eine Demonstration erlebt, bei der die Leute so leise, so ruhig demonstriert haben. Es war großartig und beeindruckend – da wird man ganz bescheiden.“ 

Generation ohne Eltern

Die Filmemacherin Anke Ertner sprach mit Claudius Nießen nicht nur über ihren preisgekrönten Dokumentarfilm „Generation ´89 – Erwachsenwerden im Wendejahr“, sondern auch über die im Film widergespiegelte Zerrissenheit der damaligen Jugend, und die Brüche, die zwischen Freunden, aber auch in der Familie entstanden. 1989 empfand sie als ein Jahr ohne Eltern: „Jeder hat ´89 anders erlebt, aber bei fast allen waren die Eltern so beschäftigt mit ihrem neuen Leben in einem neuen Land. Viele Entscheidungen musste unsere Generation damals alleine treffen.“ 

Die Journalisten Juliane von Reppert-Bismarck und Dr. Lutz Kinkel, Geschäftsführer des Europäischen Zentrums für Presse und Medienfreiheit, spannten den Bogen zu den Fragestellungen der heutigen Zeit: Juliane von Reppert-Bismarck schilderte, wie sie mit ihrem Projekt „Lie Detectors“ Jugendliche über Fake News aufklärt. „Der Journalismus ist eine fundamentale Säule der Demokratie. Aber nur indem wir eingestehen, dass wir Fehler machen, können Unterschiede zwischen Fake News und ehrlicher Berichterstattung erkannt werden.“ 

Zuletzt gab Lutz Kinkel Antwort auf die Frage, ob die Einschränkung der Pressefreiheit nach einem Problem klingt, das weit weg sei oder auch aktuell in Deutschland kritisch betrachtet werden muss. „Ja, es gibt auch in Deutschland teilweise Probleme mit der Pressefreiheit. Aber der Eindruck, dass Journalisten mit der Politik paktieren, ist ein falscher.“ 

Den ganzen Abend waren alle Besucher wieder herzlich eingeladen, aus 10.000 Kerzen eine leuchtende 89 zu formen. An der Kerzenaktion beteiligten sich ebenfalls Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung, der polnische Publizist und Autor Adam Krzemiński, Michael Kölsch (Sprecher der Initiative „Tag der Friedlichen Revolution – Leipzig 9. Oktober 1989“), Dr. Skadi Jennicke (Kulturbürgermeisterin der Stadt Leipzig) sowie Volker Bremer (Geschäftsführer der Leipzig Tourismus und Marketing GmbH). 

In seinem Grußwort auf dem Augustusplatz appellierte Adam Krzemiński an den Zusammenhalt: „Es gibt zwar keine Vereinigten Staaten von Europa und noch lange keine europäische Republik, aber lassen wir uns als Nachbarn nicht von neuen und alten Nationalisten auseinander dividieren. Zu erschütternd war die Last der Vergangenheit, die in den letzten Jahrzehnten zwischen Deutschen und Polen abgearbeitet wurde, als dass wir sie leichtfertig instrumentalisieren dürfen“. 

„Was für ein kraftvolles Bild für die Demokratie“, begrüßte Oberbürgermeister Burkhard Jung die Besucher mit Blick auf den Augustusplatz. „Wir müssen Kraft und Entschlossenheit finden, die Demokratie zu verteidigen, sie so zu schützen, wie sie uns schützt. Wie lebendig die Demokratie ist, kommt auf uns an. Auf Sie. Auf mich. Auf alle“, betonte er in seinem Grußwort. 

Für die Planung, Organisation und Umsetzung des Lichtfests zeichnet die Leipzig Tourismus und Marketing (LTM) GmbH. Im Dreiklang mit dem Friedensgebet und der Rede zur Demokratie in der Nikolaikirche erinnert es alljährlich an die Friedliche Revolution im Herbst ´89, speziell an den 9. Oktober 1989. An diesem Tag kamen über 70.000 Menschen auf dem Augustusplatz zusammen, um gemeinsam für Freiheit und Demokratie einzutreten. Es war die größte Montagsdemonstration, die Leipzig bis zu diesem Zeitpunkt gesehen hatte, und ein entscheidender Wendepunkt in der Geschichte der ehemaligen DDR. Mit ihrem friedlichen Protest ebneten die Bürgerinnen und Bürger den Weg für den Mauerfall und die Einheit Deutschlands. 

Wer sich aus aktuellem Anlass näher mit der Geschichte der Friedlichen Revolution befassen möchte, erhält auch nach dem 9. Oktober in Leipzig reichlich Gelegenheit: Verschiedene Ausstellungen, Lesungen, Vorträge, Filmvorführungen und vieles mehr beleuchten das Thema.

Das Programm mit allen Terminen und weiterführenden Informationen steht online zum Download zur Verfügung.

 

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