Lichtfest Leipzig 2015: Künstlerisches Konzept vorgestellt
"Freiheit – Gleichheit – Brüderlichkeit?" lautet das Motto des Lichtfestes Leipzig 2015 – kritisch hinterleuchtend und daher mit einem Fragezeichen versehen. Aus Anlass des Jubiläums 25 Jahre Deutsche Einheit befasst sich das künstlerische Programm mit den Themen Integration und Identifikation, mit Heimat und Fremde. Nicht nur im geeinten Deutschland der 1990er-Jahre waren diese Schlagworte zentral. Heute sind sie aufgrund der nach Europa drängenden Flüchtlinge gegenwärtiger denn je.
Umgesetzt wird das Motto unter der künstlerischen Leitung von Jürgen Meier multimedial: Texte, Fotos, Videos und Musik stellen historische und aktuelle Bezüge her. Auf dem Augustusplatz entsteht dafür – erstmals mit Blickrichtung zum Gewandhaus – eine Bühne, die den drei Hauptakteuren des Abends Raum gibt: Schauspieler Florian Lukas rezitiert Texte, die dem Geschehen einen literarischen Rahmen geben. Der Chor der Oper Leipzig nimmt das Motto musikalisch auf. Pinar Atalay bringt in einem Fernsehstudio aktuelle Nachrichten aus dem europäischen Tagesgeschehen ein. Gleichzeitig führt die TVJournalistin durch den Abend und schafft dadurch eine Verbindung zwischen dem Geschehen auf der Bühne und den Besuchern des Lichtfestes.
Vorgetragen von Florian Lukas ziehen sich Auszüge aus Ernst Blochs "Das Prinzip Hoffnung" wie ein roter Faden durch das Programm. Bloch verfasste sein Hauptwerk in den 1940er-Jahren fernab der eigenen Heimat im amerikanischen Exil. In "Das Prinzip Hoffnung" beschreibt er seine Philosophie der "konkreten Utopien", der "Tagträume", die sich erfüllen, wenn der Mensch den Sprung vom "Reich der Notwendigkeiten" in das "Reich der Freiheit" meistert. Ernst Bloch hatte von 1948 bis 1961 den Lehrstuhl für Philosophie an der Universität Leipzig inne und avancierte mit seiner Philosophie einer besseren sozialistischen Zukunft freier, selbstbestimmter Menschen zu einer der führenden Geistesgrößen der DDR.
Nicht zuletzt der ungarische Volksaufstand 1956 brachte Bloch jedoch immer mehr auf Gegenkurs zum SED-Regime. Im Dezember 1956 thematisierte er seinen Standpunkt in seiner letzten Vorlesung "Probleme der Fortentwicklung des Marxismus nach Marx", 1957 wurde er aus politischen Gründen emeritiert. Nach dem Bau der Berliner Mauer kehrte Bloch 1961 nach einer Reise in den Westen nicht mehr in die DDR zurück.
Auf die Zitate Blochs antwortet der Chor der Oper. Er steht für das "Wir", die Gesellschaft. Die Kompositionen, die einen spannungsreichen Bogen über verschiedene Epochen, Länder und Musikstile spannen, zeigen einmal mehr, wie universell das Motto des Abends "Freiheit – Gleichheit – Brüderlichkeit?" ist. Von "Die Gedanken sind frei" über Holly Nears "I ain"t afraid" bis hin zu Arvo Pärts "Da pacem Domine" reicht das Spektrum, um nur einige Beispiele zu nennen.
Auf einer großen Leinwand im Hintergrund ergänzen historische Bild- und Videoaufnahmen die vielfältigen Assoziationen aus gesprochenem Wort und Chorgesang. Die Fotos stammen unter anderem von Martin Jehnichen. In Karlsruhe als Sohn sächsischer Eltern geboren, kam Jehnichen 1988 an die Hochschule für Grafik und Buchkunst. Er gehörte zu den wenigen Westbürgern, die die Leipziger Demonstranten von Anfang an begleiteten. Er ließ sich in Leipzig nieder und war 1989 Mitbegründer der Fotoagentur "transit". Seine Fotografien – zunächst aus dem Blickwinkel des Außenstehenden, später des Teilnehmenden – sind einzigartige Zeitzeugnisse des gesellschaftlichen Wandels. Weitere Motive von Martin Jehnichen sind ab dem 30. September im Haus des Buches in der Ausstellung "Als sie träumten" zu sehen. http://jehnichen.eu/alssietraeumten
Das Lichtfest Leipzig beginnt um 20 Uhr auf dem Augustusplatz. Veranstalter ist die Leipzig Tourismus und Marketing GmbH. Einen zehnseitigen Flyer mit weiteren Informationen gibt hier zum Download.