„wir sehen uns frei“- Wirklich?

Das Projekt von Robert Sochacki rückt das Sehen und das Hinsehen in den Focus.
Das Projekt von Robert Sochacki rückt das Sehen und das Hinsehen in den Focus. ©Pixabay/Mario

Was es mit den riesigen Augenpaaren, die von der Oper auf den Augustusplatz blicken auf sich hat, was ihm der Kollektivgedanke bedeutet und warum es wichtig ist, hinter die Fassaden oder auch in Familienalben zu blicken, erfahren wir von Robert Sochacki, der für das Lichtfest „wir sehen uns frei“ konzipierte.

Robert Sochacki, was sollen die großen Augen auf der Oper?

Die großformatigen Augenprojektionen stehen in direktem Bezug zum Namen der Installation: „wir sehen uns frei“. Ja, wir betrachten uns häufig als frei. Aber sind wir es tatsächlich? Stehen wir nicht selbst ständig unter Beobachtung anderer oder auch der sozialen Medien? So, wie wir auf andere schauen, schauen andere auf uns. Sehen kann Fürsorge, Wahrnehmen bedeuten, aber eben auch Beobachtung und Kontrolle.

Zentral ist auch das Thema der Gemeinschaft, kleiner Gruppen und Formationen im Alltagsleben, der Kollektive in Lebens- und Arbeitswelten im originären Sinn. Ist Ihnen hier ein Bereich besonders wichtig?

Vielleicht ist derzeit am wichtigsten, sich der Familie zuzuwenden – sich ihren einzigartigen Geschichten und Beziehungen zu widmen, die der wahre Kern unserer Gemeinschaft sind. Hinter den Fassaden finden sich unzählige Geschichten über die Menschen, über ihre kleinen Erfolge und ihr Scheitern gleichermaßen. Alltäglichkeit, die unsere Geschichte widerspiegelt. Diese kleinen, privaten Momente und Bilder waren und sind wichtige Zeitzeugen. Aus diesem Grund möchte ich in den Projektionen auf diese wenig sichtbaren, aber kostbaren Momente verweisen. Wir dürfen nicht vergessen, dass wir heute genauso Teil lebendiger Geschichte sind wie wir es 1989 waren. Aus diesem Grund finden besonders viele Aufnahmen, die aus Familienalben stammen, Eingang in die Projektion.

Das Thema „Kollektiv“ setzt aber nicht nur den Grundtenor der Installation, sondern bestimmte auch den Entstehungsprozess, richtig?

Absolut. Ich habe mich gleich am Anfang dazu entschlossen, nicht nur als Team mit Wera Morawiec, die das Projekt kuratiert, zu arbeiten, sondern auch Künstler, Institutionen und Kulturschaffende aus Leipzig einzubinden. Es sind viele Menschen, die am Projekt mitwirken. Darüber bin ich sehr glücklich. Wir arbeiten eng zusammen, stehen in Beziehungen zueinander – korrespondierend zum Grundgedanken des Projekts, dass (familiäre) Bande der Kern jeder Gesellschaft sind. Unser Projekt wird dadurch nicht eine einzelne Perspektive auf 1989 zeigen, sondern vielmehr auf dem Zusammenwirken aller Beteiligten aufbauen, auch mit den Menschen, die am 9. Oktober auf den Augustusplatz kommen: Durch die Interaktion mit den Bildern und Klängen werden sie ihr eigenes Verständnis des Projekts "wir sehen uns frei" entwickeln.

Was hat „wir sehen uns frei“ mit der Friedlichen Revolution zu tun?

Ich bin Jahrgang 1971, habe die Friedliche Revolution in Osteuropa erlebt. Danzig, wo ich geboren und aufgewachsen bin, war Ursprungsort der polnischen Revolutionsbewegung. So konnte ich ganz nah den Kampf der Aufständischen in der Werft, in der meine Mutter arbeitete, verfolgen. Seitdem war ich immer offen für die Spuren und Echos der Revolution, die im öffentlichen Raum präsent sind. Mir gefällt es, eine Stadt und die Geschichte(n) ihrer Bürger in meiner Arbeit einzubinden. Ich bin der Meinung, dass das die Chance bietet, die Vergangenheit zu reflektieren, sich aber auch die Zukunft besser vorstellen zu können.

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